Humboldt-Universität zu Berlin - Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien

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Trans* Marxismen? Aktuelle theoretische und politische Suchbewegungen

Workshop
  • Wann 07.06.2024 13:00 bis 08.06.2024 14:00
  • Wo HU-Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Raum R 2070a
  • Name des Kontakts
  • iCal
Veranstaltet von

Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin

 
Beschreibung

In der Formierung eines hegemonialen trans* politischen und akademischen Diskurses seit den 1990er wurden marxistische Strömungen praktisch irrelevant gemacht. Die Forderungen nach Selbstbestimmung und Anerkennung von Geschlechtsidentität, sowie Depathologisierung von Transitionen ließen sich schwer in einem klassenkämpferischen Rahmen artikulieren. Während der trans* aktivistische Diskurs also von der liberalen Tradition und die Logik des Rechtsstaates geprägt wurde, zelebrierte der akademische trans* Diskurs das Ende der großen Erzählungen der Moderne. Der queere trans* Subjekt verkörperte die Dekonstruktion von Geschlecht und stand als Beweis ihrer allgemeinen Künstlichkeit. Es war eher daran interessiert, die Position des Monsterhaften zu besetzen als Reproduktionsverhältnisse zu hinterfragen.

Diese politischen und theoretischen Perspektiven reichen jedoch nicht aus, um die materiellen Lebensbedingungen der Mehrheit von trans* Menschen zu erfassen, insofern sie von Krieg, Polizeigewalt, Austeritätspolitik, prekarisierter und unsicherer Arbeit, Klimakatastrophen, Kriminalisierung von Migration, etc. betroffen sind (Connell 2020). Marxistisch geprägte Kritiken waren nie ganz abwesend in trans* Politik und Theorie und seit einigen Jahren wird deren Revitalisierung, Zentrierung und Weiterentwicklung vorangetrieben (Clochec/Grunenwald 2021, Gleeson/O'Rourke 2021, Duval 2023). Im deutschsprachigen Raum fordern Autor*innen und aktivistische Kollektive vermehrt, trans* Lebens- und Existenzweisen als durch globale Herrschaftsstrukturen und intersektionale Klassenverhältnisse geprägt zu begreifen, bereits bestehende politische Praktiken unter diesem Blickwinkel zu betrachten und neue politische Praktiken zu entwickeln (Adamczak 2017, Becker 2024, trans:rrrr 2020, Bouvar 2024, Seeck 2021).

Vor diesem Hintergrund laden wir, Eric Llaveria Caselles und Zoe* Steinsberger, zu einem Workshop am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien Berlin ein. Wir folgen dem sehr heterogenen trans* marxistischen Diskurs mit Interesse und Vorsicht zugleich. Wir verstehen darunter keine transparente theoretische Richtung und auch kein fertiges politisches Programm, sondern eine plurale Suchbewegung, der wir uns anschließen. Gemeinsam mit euch wollen wir über Kritiken, Grundbegriffe, Argumente und politischen Horizonten von trans* marxistischen Perspektiven diskutieren. Wir möchten Abgrenzungsbewegungen und Genealogien von trans* marxistischen Autor*innen erkunden. Wir wollen mit euch besprechen, ob trans* marxistische Zugänge einen eigenen Beitrag zum Verständnis von trans* Leben leisten können. Schließlich wollen wir gemeinsam mit euch diskutieren, welche Orientierungen und Strategien politischen Handelns durch trans* marxistische Perspektiven dazugewonnen werden können.

 

Literaturverzeichnis:

Adamczak, Bini (2017): Beziehungsweise Revolution: 1917, 1968 und kommende. Frankfurt am Main.

Becker, Lia (2024) Schnitte durch die «zweite Haut». Über Gender-Gewalt und Heilung, Klasse und trans*feministische Allianzen. In: Becker, Lia/ Beyer, Atlanta/ Pühl, Katharina (Hgs.): Bite back!

Queere Prekarität, Klasse und unteilbare Solidarität. Münster.

Bouvar, Mine Pleasure (2024): Queere Gesundheit bleibt eine Klassenfrage. In: Missy Magazine https://missy-magazine.de/blog/2024/01/08/queere-gesundheit-bleibt-eine-klassenfrage/

Clochec, Pauline/Grunenwald, Noémi (2021): Matérialismes Trans. Paris.

Connell, Raewyn 2021: (Trans South). Practical Bases for Trans Internationalism. In: Roy, Ahonaa (Hg.): Gender, Sexuality, Decolonization. South Asia in the World Perspective. London, 209-224.

Duval, Elisabeth (2023). Nach Trans: Sex, Gender und die Linke. Berlin.

Gleeson, Jules Joanne/O'Rourke, Elle (2021): Transgender Marxism. London.

Seeck, Francis (2001): Care trans_formieren. Eine ethnographische Studie zu trans und nicht-binärer Sorgearbeit. Bielefeld.

trans:rrr (2020): ohne titel, online: https://transrrrr.noblogs.org/.

 

Konzeption und Organisation

Eric Llaveria Caselles und Zoe* Steinsberger

 

Referent*innen

Eric Llaveria Caselles und Zoe* Steinsberger lehren und promovieren in Berlin bzw. Innsbruck im Feld der Trans Studies und sind bzw. waren in unterschiedlichen trans* aktivistischen Kontexten aktiv. Fragend, aber hoffnungsvoll beziehen sie sich dabei auf trans* marxistische und historisch materialistische Perspektiven.

 

Weitere Informationen

Der Workshop richtet sich an Studierende, Forschende, Theoretisierende und Aktivist*innen mit Interesse und Bezug zu trans* Denken und trans* Politiken.

Anmeldungen an zoe.steinsberger@uibk.ac.at bis 31.05.2024. Wir bitten euch, der Anmeldung einen kurzen Text (ca. 3.000 Zeichen) beizufügen, in dem ihr eure Motivation für den Workshop schildert. Wir würden die Texte nutzen, um ausgehend davon den Workshop zu planen. Außerdem möchten wir sie in der Einstiegssession verwenden, um uns unseren Zugängen zu trans* Marxismen anzunähern. Die konkrete Frage für den Text lautet: „Welche politischen wie analytischen Fragen, Hoffnungen, Anliegen, Frustrationen und Sehnsüchte bringen mich in den beschriebenen Workshop zu trans* Marxismen?“

Workshopzeiten: Freitag, 7. Juni 2024, 13 bis 18 und Samstag, 8. Juni 2024, 10 bis 14 Uhr

Plakat (PDF-Datei)

 


Semester: Sommersemester 2024


ZtG-Veranstaltungskategorie: Tagungen/Symposien/Kolloquien/Workshops des ZtG